Es gibt keinen Grund, von der Welt Gerechtigkeit zu erwarten, denn sie ist nicht gerecht, manchen Menschen widerfährt Gerechtigkeit, sehr vielen jedoch nicht. Es gibt auch keinen Grund, die Welt für gut zu halten, denn das Gute ist launig, das Unheil aber allerorts. Das Unheil ist nicht nur ein Verbrechen, das sich weit entfernt in einem finsteren Winkel zuträgt, die Krankheit, die nur den Nachbarn dahinrafft, oder die Seilschaften, mit denen sich ein Ehrgeiziger an den Talentierteren vorbei in den Ruhm hangelt, das Unheil ist in das Getriebe dieser Welt gepresst, es ist ein alles umfassendes System, eine Engführung zum eigenen Glück, eine Direktive zur Vorteilsnahme und der Entschluss des Menschen, sich selbst zu retten, um jeden Preis. Ein Ziel des Lebens wird nirgendwo noch gebildet, jeder solle für sich selbst herausfinden, was das je sei. So streben die Menschen nach persönlichem Glück und dem Gelingen ihrer Pläne. Weil der Mensch die Welt nicht überblicken kann und ihre Verdorbenheit nicht sieht, auch nicht sehen will und das Verdorbene höchstens als revidierbaren Fehler betrachtet, als einen Pickel, den man ausdrücken kann, weigert er sich, die Welt zu verwerfen. Sie verwerfen, das sei nur etwas für die Pessimisten und Schwarzseher. Weil er sie nicht verwerfen kann, muss der Mensch nun sein Glück in ihr suchen.
Nur sehr wenige Menschen haben wirklich Glück, sind glücklich. Alle aber, die in der Welt und von der Welt ihr Glück suchen, unterwerfen sich damit auch den Gesetzen dieser Welt, sie buckeln und liebäugeln, um Karriere zu machen, hofieren, um an Vorteile zu gelangen, steigen nach, wo sie Honigtöpfe wähnen, gehen faule Kompromisse ein, weichen von der Wahrheit ab, glauben der Geschichtsschreibung, der Legendenbildung, den Experten und Ergebnissen des Ringens um Mehrheiten und Macht. Dann schaut man nicht mehr hin, hört nicht hin, sondern sieht nur, wie die Welt zu sehen lehrt, und hört, wie die Welt zu hören lehrt. Da die soziale Welt aber krank ist, bedeutet das, nicht mehr richtig zu sehen und nicht mehr richtig zu hören. Die Antworten der Welt sind – wie könnte es anders sein? – innerweltlich, und auch eine Kirche, die sich als Teil dieser Welt sehen will, hat sogar dort, wo sie von vordergründig von ewigen Wahrheiten spricht, nur noch innerweltliche Antworten zu bieten. Weitestgehend bleibt das Unheil somit bedeckt, die Massen spüren es, empfinden Unbehagen. Regelmäßig meint man dann, den Antichristen verorten zu können, mal in der einen Bande, mal in der anderen. Die Abwehr des Unheils richtet sich auf das Einzelne; dann wirft man ein paar Tropfen auf den heißen Stein des Unheils in der Welt und kokettiert höchstens noch mit christlichen Tugenden als Erweiterung der Wege zum persönlichen Glück – die Existenz Gottes und sein Handeln erklärt man längst schon aus den Bedürfnissen des Menschen. Der labt sich an seiner neuen Stellung im Kosmos, will sie sich nicht mehr nehmen lassen, selbst dann nicht, wenn die täglichen Notwendigkeiten seine Wahrnehmung einpferchen auf materielle Fragen, wenn die Engführung des Lebens ihn niederdrückt und er erkennt, dass die Welt keine Antwort hat. Denn die Welt hält ihm auf allen Kanälen ein Bild persönlichen Glücks entgegen. Die alternative Welt Gottes, sein Königtum, ist abgeschafft. Der neue Mensch feiert sich selbst, der Gottesdienst ist auf ihn hin angepasst, die gesellschaftliche Ordnung soll seine „Freiheit“ nicht behindern, „Menschenrecht“, ganz ohne Gott, ihn würdigen. Dabei hat das Elend in der Welt nicht abgenommen, sondern kulminiert im Drängeln des vereinzelten Menschen um einen Platz im Schlaraffenland. Drückt einmal der Schuh, führt ein Psychotherapeut hin zu einem Selbst, das affirmiert gehört, schon den Kindern bringt man bei, dass mit ihnen alles in Ordnung sei, selbst wenn das nicht so ist; damit ist Sünde, wenn überhaupt, zum Einzelding geworden, der Mensch wird als im Prinzip gut angesehen. Jeder soll nun nach eigener Façon glücklich werden, fragt man aber den Therapeuten, den Pfarrer, den Guru, worin wirkliches Glück denn bestünde, so hat der keine Antwort. „Der Weg ist das Ziel“, heißt es hier, „Carpe diem!“, dort, wieder andere rufen: „Dein Seelenkern ist göttlich!“ oder „Ziel des Lebens ist die Erhaltung deiner selbst“, und alle sind sich einig: „Das musst du ganz allein für dich selbst herausfinden!“. So entbrennt ein Wettkampf des Ich um Erfüllung und Erfolg. Da es kein Oben und Unten mehr gibt, keine Bindung an Tradition und diese nur noch als etwas Totes angesehen wird, ist der Mensch wie eine hungrige Ziege, die man von der Herde getrennt hat, von Raubtieren eingekreist. Vom Dröhnen medialer Bilder umgeben wird dieses menschliche Tier nun mal in die eine, mal in die andere Richtung gelockt, längst sind mediale Darstellungen dabei nicht mehr Ausgeburten der Vernunft, wohl zehren sie aber noch von Zeiten, als sie es manchmal vielleicht noch waren. Dabei ist die Frage, welche Idee am meisten lockt, längst zu einer Frage des Geldes verkommen, das in die medialen Bilderwelten geblasen wird. Die Betonung der Rechte des Menschen führt dazu, die Verschiedenheit der Menschen aufzuheben, denn in einer Welt ohne Gott gibt es kein anderes ordnendes Prinzip, das alle würdigen könnte, als das Einplanieren der Menschenmassen auf ein leicht kontrollierbares Mittelmaß an Verhalten, Geschmack, Ausdruck und Absicht. Diese Welt zerstört sich selbst. Ein Christ aber hat keine Ausrede mehr, da er sein Ziel nicht in sich selber hat, hat er keinen Grund mehr, sich etwas vorzumachen. Dann sieht er unter bitteren Tränen die eigene Verdorbenheit und mit flammendem Entsetzen die Verdorbenheit der Welt. Dann schaut er wieder hin und hört hin, er lernt zu sehen, wie die Kirche zu sehen lehrt, und hört, wie Kirche zu hören lehrt. Da die Kirche die Tür zum Reich Gottes in Christus öffnet, bedeutet das, richtig zu sehen und richtig zu hören. Die Antworten der Kirche sind – wie könnte es anders sein? – nicht die Antworten dieser Welt. Das Ziel ist es nun, Gott zu lieben, Ihn zu schauen, daher kann er nicht anders, als diese Welt auszuscheiden und die andere Welt Gottes zu suchen. So unterstellt er sich der Tradition der Kirche, die ihn in ihren sperrigen Ordnungen in die Verehrung Gottes hineinführt, weg von sich selbst. Die Göttliche Liturgie ist die Antwort, in diesen Stunden überwinden wir inneres und äußeres Unheil in Gott, im Sprechen und Beten, Singen und Riechen und Schmecken der großen Einheit außerhalb und über unserer Welt.
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Über mich.Ich bin Finnin und schreibe in deutscher Sprache. Archiv
February 2022
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